Saaltext von Marc Munter zur Ausstellung verortet.dot.com von Doris Staub Muster in der Galerie Béatrice Brunner (Bern, August 2015):

In ihrer jüngsten Werkserie verortet.dot.com bringt Doris Staub Muster das Wechselspiel zwischen ihrem ständigen Unterwegssein als Vielreisende und ihrem Verweilen an verschiedenen Orten buchstäblich auf den Punkt. Der Titel spielt auf unser aller Gebrauch des Internets an, wobei wir gleichsam "surfen" und innehalten in einem weltumspannenden, virtuellen Netz. In den letzten Jahren gewann das Reisen und sich Aufhalten in der weiten, realen Welt für die Künstlerin zusehends an Bedeutung. Ihre zahlreichen Erfahrungen und Begegnungen an unterschiedlichsten Orten sowie Momente der Selbsterkenntnis spiegeln sich gleichsam in den Fotografien im Galerieraum, aber auch in der Zusammenstellung von Andenken ihrer Aufenthalte im Projektraum wieder.

Auf den Reisen markierte Doris Staub Muster Dinge und Momente teils mit weissen, teils mit bunten Kreisflächen und hielt diese neu gewonnenen Eindrücke fotografisch fest. Die subtilen Eingriffe erinnern bisweilen an das künstlerische Arbeiten im öffentlichen Raum, dessen Geschichte bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht. Gerade in jüngerer Zeit nehmen Kunstwerke in der Öffentlichkeit unterschiedliche Gestalt an und können ebenso flüchtig wie beständig sein. Sie fordern auf zum Innehalten im schnelllebigen Alltag und ermöglichen neue Sichtweisen auf eine vertraute oder bislang weniger beachtete Umgebung. Die Punkte von Doris Staub Muster verändern die bereisten Orte, verleihen ihnen etwas Fremdes, Unnatürliches, Subversives. Kreisen haftet etwas Urtümliches an, sie stehen für die Erde wie für die Sonne. Als geometrische Grundform sind sie beliebt in der Grafik, erheischen Aufmerksamkeit, gleichzeitig haben sie eine ausgleichende Strahlkraft, beim Kreis ist alles in Balance. So nehmen die gepunkteten Bildwelten von Doris Staub Muster ebenfalls unterschiedliche Gestalt an: Mal durchbrechen ihre Kreise die Monotonie von Fussböden oder Wandtapeten, wirken verspielt und dekorativ; mal fügen sie sich wie ein Gewächs oder wie Blüten in eine natürliche Umgebung ein. Als markante Zeichen stecken sie immer einen Bereich ab und bestimmen zusammen mit dem Fokus der Kamera das Bild. Gleichzeitig sprechen sie für eine individuelle Setzung der Künstlerin und eröffnen unserer Wahrnehmung ungeahnte Freiräume.

Als buntes Arrangement wirken die Reisesouvenirs von Doris Staub Muster im Projektraum einerseits beschaulich wie eine Tischdekoration; andererseits gehören sie in keiner Weise zusammen, zumal sie unterschiedlichsten Erdteilen und Kulturen entstammen. In dieser harmonischen Disharmonie geben sie das Bild einer globalisierten Welt wieder und regen zum Nachdenken über das Fremde als Gegenüber und in der eigenen Nachbarschaft an. In den Andenken stecken teils Traditionen und Bräuche, aber auch deren Verklärung, Kommerzialisierung und Überformung hin zum Kitsch. Angesichts der Gegenstände mit ihren schrillen Farben und Formen erinnern wir uns an Objekte und Arrangements der Pop Art oder des Nouveau Réalisme der 1960er Jahre. Doris Staub Muster unterzieht dieses Abbild der Wirklichkeit jedoch einer neuerlichen Infragestellung des schönen Scheins und unseres tatsächlichen Daseins in einer weiten Welt des Fremden und Vertrauten.